One Billion Rising in Wülfrath: Frauen und Mädchen tanzen und protestieren gegen Gewalt, die Frauen weltweit - und auch in Wülfrath - angetan wird. Fotos: Hans-Joachim Kling

Wülfrath. An diesem Freitag erheben sich Frauen und Männer in aller Welt, auf jedem Kontinent, in über 199 Ländern und in Deutschland inzwischen in über 160 Städten, um ein neues Bewusstsein und das Ende der Gewalt gegen Frauen zu fordern. In Wülfrath kamen etwa 40 Frauen und Mädchen auf dem Heumarkt zusammen.

Gleichstellungsbeauftagte Gudula Kohn hieß die Teilnehmerinnen und die Zuschauer in der Fußgängerzone willkommen. In ihrer eindringlichen Rede rief sie ins Bewusstein, in wie vielen Fällen Frauen Gewalt angetan wird, und forderte ein Ende dieser Gewalt.

In Wülfrath gehört der Tanz zugleich zu der Aktion „Respekt“, die von der „Expertenrunde Gewaltprävention“ für dieses Jahr ausgerufen wurde.

Die Rede der Gleichstellungsbeauftragten Gudula Kohn:

  1. Februar ist Valentinstag. Für viele zählt an diesem Tag die romantische Geste: Rosen und Pralinen werden verschenkt, Heiratsanträge gemacht und alles dreht sich um die große Liebe – doch für einige endet sie in Gewalt.

Schläge statt Blumen

  • Fast jeden 3. Tag wird in Deutschland eine Frau ermordet
  • jede vierte Frau wird mindestens einmal im Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt
  • etwa 600 versuchte Tötungen von Frauen und Mädchen pro Jahr

Weltweit beteiligen sich am Valentinstag 1 Milliarde Frauen an der Aktion „One Billion Rising“. In mehr als 130 deutschen Städten fordern Frauen ein Ende von Männergewalt. Denn Gewalt durch Männer gegen Frauen ist ein großes Problem in Deutschland: Im Jahr 2018 wurden insgesamt 140.755 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Davon waren 114.393 Opfer weiblich, als 81 %, 122 Frauen wurden getötet (Quelle: BKA).

Seit Beginn dieses Jahres wurden bereits 24 Frauen in Deutschland von ihren (Ex)-Partnern oder Familienangehörigen getötet. (Stand 5.2.2020, Quelle Change.org: Petition „Stoppt das Töten von Frauen #saveXX”)

Täter = Männer?

  • Die Täter sind zumeist Männer, häufig Ehemänner, Partner, Ex-Partner oder Freunde.
  • Frauen werden ermordet oder misshandelt, weil sie Frauen sind.
  • Sie werden ermordet oder misshandelt, weil Männer glauben, dass sie das Recht dazu haben.
  • Sie werden ermordet oder misshandelt, weil sie ihr Recht auf ein eigenes Leben umsetzen.
  • Frauen werden ermordet oder misshandelt, weil sie sich trennen wollen oder weil Männer ihren Frust, Hass und Wut an Frauen und Mädchen auslassen oder ihre Macht demonstrieren wollen.
  • Das gilt für deutschstämmige Männer wie auch für Männer ausländischer Herkunft gleichermaßen und für alle sozialen Schichten.

Beziehungstat oder Femizid?

Wer die Ermordung von Frauen als Beziehungstat, Familientragödie, Eifersuchtsdrama oder Ehrenmord bezeichnet, verharmlost die Morde und trägt dazu bei, den Grund für die Ermordung der Beziehung, der Familie oder der Herkunft zuzuschreiben und damit quasi zu entschuldigen. Unser Strafrechtssystem unterscheidet zwischen Mord und Totschlag. Morde an Frauen werden häufig als Totschlag eingestuft, also einer Tat aus niederen Beweggründen. Der Mord an Frauen muss als das bezeichnet werden, was er ist: Femizid.

Femizid bezeichnet die Ermordung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Und genau das ist auch in Deutschland der Fall.

Der Schaden und das Leid für Frauen, deren Kinder und Familien ist unermesslich. Auch der ökonomische Schaden der Gewalt an Frauen wird in Deutschland auf 3,8 Milliarden Euro jährlich beziffert. (Studie BTU, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg). Dafür kommt die deutsche Gesellschaft auf.

Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen wird trotz der erschreckend hohen Zahl von Politik und Gesellschaft zu wenig ernst genommen oder verharmlost. Dabei ist es ein Phänomen, für das es vielfältige Gründe gibt, z.B. um zwei zu benenen, tradierte Rollenmuster mit immer noch vorherrschenden männlichen Dominanz- und Besitzansprüchen.

Wir fordern daher:

  • ein angemessenes strafrechtliches Vorgehen gegen Femizide
  • eine verbesserte bundesweite Erhebung von Daten zu Gewalt an Frauen, um das Ausmaß und die Folgen von Häuslicher Gewalt deutlich zu machen
  • eine gründliche Erforschung von Gewaltpotentialen in Familie und Partnerschaft, um gezielt gegen Männergewalt vorgehen zu können
  • eine angemessene und institutionalisierte Förderung der Hilfsangebote für Opfer Häuslicher Gewalt
  • eine bundesweite Finanzierung von Täterarbeit, Kernziel von Täterarbeit ist die nachhaltige Beendigung von gewalttätigem Verhalten
  • die richtige Benennung in der medialen Berichterstattung durch die Verwendung des Begriffs Femizid

Situation in Wülfrath

Ein Wülfrather tötet am 14.11.2009 seine von ihm getrennt lebende 33-jährige Ehefrau Filiz E. mit einem gezielten Kopfschuss.

Am 7. November 2019 hat ein Wülfrather seine 57 Jahre alte Ehefrau sowie seine 87-jährige Mutter und auch den Hund der Familie erschossen.

Respekt

Nach den Tötungsdelikten vor ca. 10 Jahren in Wülfrath wurde durch Bürgermeisterin Dr. Claudia Panke die Expertenrunde ‚Gewaltprävention‘ ins Leben gerufen, an der u. a. Verbände, Kirchengemeinden, Moscheeverein, Polizei und verschiedene Ämter der Verwaltung (Ordnung, Jugend, Soziales) regelmäßig teilnehmen.

Dieses Jahr 2020 möchte die Expertenrunde unter den Leitgedanken „Respekt in Wülfrath“ stellen, da das Thema in der heutigen Zeit von wesentlicher Bedeutung ist:

Respekt geht uns Alle an und gewinnt leider zunehmend in den unterschiedlichsten Lebensbereichen an Bedeutung. Dabei geht es der Expertenrunde um jegliche Art von Respekt:

  • Respekt gegenüber allen Menschen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Beeinträchtigungen oder wirtschaftlicher Situation
  • Respekt im Netz
  • Respekt gegenüber Rettungs- und Einsatzkräften
  • Respekt gegenüber Natur und Umwelt
  • Respekt…ein wichtiges und vielfältiges Thema

Informationen am Infostand:

  • Fragebogen liegt aus: „Ihre persönliche Meinung zum Thema Respekt“. Rücksendung per mail an: [email protected] oder in einem Briefumschlag mit der Beschriftung „Respekt“ in den Briefkasten des Rathauses einwerfen
  • Die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt für den Kreis Mettmann startet am 05.03.2020 mit einer offenen Gruppe für Frauen nach Gewalterfahrung. Ein Einstieg in die Gruppe ist auch nach diesem Termin möglich.

Der Schwerpunkt der Gruppe wird das Thema sexualisierte Gewalt sein. Aber auch Frauen mit anderen Gewalterfahrungen werden sicherlich vom Austausch und den Übungen profitieren.

  • Auch heute, am sogenannten „Tag der Liebe“ sind die Beraterinnen des bundesweiten Hilfetelefons unter der 08000 116 016 rund um die Uhr erreichbar – anonym und kostenfrei
  • Herzlichen Dank an Andrea Berster Lingk die, wie in den letzten Jahren die Choregographie mit uns einstudiert hat und uns heute durch die Veranstaltung begleitet
  • Alle Teilnehmenden können sich gerne zum Abschluss eine Rose mitnehmen