Bürgermeisterin Claudia Panke und Gleichstellungsbeauftragte Gudula Kohn mit den Gästen bei der Eröffnung der Ausstellung
Bürgermeisterin Claudia Panke und Gleichstellungsbeauftragte Gudula Kohn mit den Gästen bei der Eröffnung der Ausstellung "Mütter des Grundgesetzes" im Wülfrather Rathaus. Foto: Hans-Joachim Kling

Wülfrath. Von den Wänden blickt die Ahnen-Galerie. Die früheren ehrenamtlichen Bürgermeister der Stadt und zwei Stadtdirektoren – alles Männer – schauen als Gemälde auf die Szenerie im Saal des Wülfrather Rathauses. An den Tischen sitzen heute fast nur Frauen und Mädchen. Im Foyer nebenan ist die Ausstellung „Mütter des Grundgesetzes“ zu sehen.

Zu den Gästen, die zur Eröffnungsveranstaltung gekommen sind, zählen die Mädchen (und ein Junge) der Politikklasse der Stufe zehn an der Sekundarschule. Auch einige Mitstreiterinnen des Frauennetzwerkes sind gekommen, um Gudula Kohn zuzuhören. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wülfrath erzählt vom Weg der Frauen in die Politik. Und von den Hindernissen und Fehlschlägen.

„Das Frauenwahlrecht ist nicht einfach vom Himmel gefallen“, berichtet Kohn. Und zeigt Plakate wie: „Die Mutter treibt Politik! Frauenstimm- & Wahlrecht NEIN“. Das Frauenstimmrecht sei „nichts als eine giftige Frucht am Baume der Frauenemanzipation“, zitiert sie aus einer Denkschrift. Dennoch trat am 30. November 1918 das „Reichswahlgesetz“ in Kraft. Danach durften auch Frauen wählen und gewählt werden. Was viele der jungen Gäste vielleicht nicht wissen: In der Schweiz hat das bis 1971 gedauert, in Portugal bis 1974, in Saudi-Arabien bis 2015.

Und bis 1977 gab es in der Bundesrepublik die „Hausfrauenehe“. Wenn Frauen arbeiten wollten, mussten sie den Mann um Erlaubnis fragen.

Ein Sprung zurück: Der Nationalsozialismus war auch das Ende der Frauenbewegung. Die Nazis sahen Frauen einzig als Hausfrau und Mutter. Frauen durften nicht gewählt werden, nicht mehr als Rechtsanwältin oder Richterin arbeiten. Es galt ein Berufsverbot für verheiratete, gut versorgte Beamtinnen und für verheiratete Lehrerinnen (das sogar bis 1950).

Vor diesem Hintergrund versammelt sich nach dem Weltkrieg der Parlamentarische Rat, um dem neuen Staat Bundesrepublik eine provisorische Verfassung zu geben. Diesem Rat gehören 61 Männer und vier Frauen an. Sie beschließen 1949 das Grundgesetz. Von diesen vier Frauen und ihren Geschichten handelt die Ausstellung, die heute, 70 Jahre später, im Foyer des Rathauses zu sehen ist.

Gudula Kohn macht aber nicht Halt an dieser Stelle der Geschichte, sie blickt weiter auf heute: „Frauen sind nach wie vor unterrepräsentiert“, sagt sie. Im Bundestag stellen sie gerade mal 30,9 Prozent der Mitglieder. In den Landtagen sieht es ähnlich aus.

Auch auf Wülfrath wirft die Gleichstellungsbeauftragte einen Blick. Auf die zwei ersten Frauen, die in den Wülfrather Gemeinderat gewählt wurden: Agnes Margarethe Meiner und „Frau Wilhelm Koch“. Letztere hatte sehr wohl einen eigenen Vornamen. Im Archiv der Stadt ließ sich der aber nicht finden. In der Geschichte der Stadt bleibt sie „Frau Wilhelm Koch“.

Im Wülfrather Stadtrat stellen heute die Frauen auch nur 24 Prozent der Ratsmitglieder. „Die Hälfte der Politik gehört uns“, greift Kohn eine Forderung der Frauenbewegung auf. Nach der Kommunalwahl 2020 sollte der Anteil der Frauen im Wülfrather Stadtteil deutlich größer sein, fordert sie.

Deutlich unterrepräsentiert seien Frauen auch in den Bürgermeisterämtern der Bundesrepublik, macht Kohn deutlich: Die Bürgermeisterinnen stellen ganze 9,6 Prozent. Zu diesen 9,6 Prozent gehört Wülfraths Bürgermeisterin Claudia Panke, die auch zu den Gästen der Ausstellungseröffnung zählt. Nach Barbara Lorenz-Allendorf ist Panke die zweite hauptamtliche Bürgermeisterin der Stadt.

Von den Wänden des Ratssaales schauen heute ihre ehrenamtlichen Vorgänger stumm der Versammlung der Frauen und Mädchen im Rathaus zu. Alles Männer.

Zur Ausstellung: Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel sind die vier Mütter des Grundgesetzes. Ihrem Einsatz ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern 1949 im Grundgesetz verankert wurde. Auf 17 Roll Ups werden Lebensbilder von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel gezeigt – den vier weiblichen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates. Sie erkämpften mit Art. 3, Abs. 2 – „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ – die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz. Im Wülfrather Rathaus ist die Ausstellung bis zum 30. April zu sehen.