Eine der Attraktionen der Stadt: Der Wülfrather Zeittunnel. Archivfoto: Hans-Joachim Kling
Eine der Attraktionen der Stadt: Der Wülfrather Zeittunnel. Archivfoto: Hans-Joachim Kling

Wülfrath. Der Rat der Stadt Wülfrath hat mit den Stimmen von CDU, Wülfrather Gruppe und Bürgermeisterin den Doppelhaushalt 2018/19 beschlossen. Außerdem soll der Zeittunnel ab 2021 nicht mehr unter städtischer Regie geführt werden. Dazu schreibt Eberhard Tiso, Finkenweg 4 in Wülfrath, in einem Leserbrief:

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die Zusammenarbeit von Rat und Verwaltung auf tönerne Füße steht, so legt das seit mehreren Monaten andauernde grauselige Spiel zum Haushaltsentwurf hierzu ein beredtes Zeugnis ab. Die Eröffnung des Kämmerers im Frühjahr über ein großes Loch auf der Einnahmenseite wegen des Wegfalls der sicher eingeplanten Gewerbesteuer von Lhoist lässt die Akteure des politischen Handelns in Wülfrath erst einmal in eine Art Schockstarre fallen.

Als dann aber der Kämmerer eine Erhöhung des Hebesatzes zur Grundsteuer vorschlägt, der ca. EUR 800.000 in die Stadtkasse einspülen soll, setzt eine vielstimmige Kakophonie ein, die Wülfrath als Wohnort ins Abseits rutschen sieht, da mit diesen ca. EUR 120.- Mehrkosten im Jahr pro Familie selbstverständlich Wülfrath jegliche Attraktivität verlöre.

Spätestens an diesem Punkt wird es dann mehr als komisch. Und wenn dann noch die Wülfrather Wählergemeinschaft im Verbund mit CDU und FDP eine Schließung des Zeittunnels fordert, um so den Haushalt zu sanieren, erreicht die Groteske ihren Höhepunkt.

Um es noch einmal vorzurechnen: Bei einem Haushaltsvolumen von EUR ca. 54 Mio würden die mit der Schließung des Zeittunnels einmal angenommen Einsparungen von EUR ca. 180.000 – die mit hoher Wahrscheinlichkeit aber gar nicht zu realisieren sind – 0,33 Prozent des gesamten Haushalts betragen. Ein fürwahr fürstlicher Batzen. Erkauft mit dem Ergebnis, dass in der Tat eine – wenn auch kleine – Attraktivität Wülfraths verloren ginge.

Die Wülfrather, die sich sorgen um eine nachlassende Attraktivität unserer Heimatstadt wegen einer moderaten Steuererhöhung (seit elf Jahren konstant), mögen doch bitte einmal auf die Attraktivitäten Wülfraths schauen. Leerstände in der Fußgängerzone, verwahrloste Grünflächen, Innenstadt ab 19:00 Uhr tot, Freizeitangebote nur in Vereinen.

Und noch ein Letztes: Unsere Bürgermeisterin wurde von der Wülfrather Gruppe und der CDU aufs Schild gehoben. Sie bestritt mit Hilfe dieser Parteien zwei erfolgreiche Wahlkämpfe. Noch im Juni hielt sie eine flammende Rede auf der großen Wiedereröffnungsfeier des Zeittunnels. Nach einjähriger Umbauzeit und nur ermöglicht mit finanziellem Sponsoring von Firmen und dem Förderverein erklärte sie diese erdzeitgeschichtliche Einrichtung zum Highlight der Wülfrather Kultur.

Und nur fünf Monate später erklären ihre Parteifreunde diese Attraktion für abbruchreif. Wie muss man sich hier bei diesen Gegebenheiten eine vernünftige Zusammenarbeit vorstellen? Und…. wie werden Sponsoren, die ihre Gelder in Projekte stecken, die innerhalb eines halben Jahres von ganz wichtig für überflüssig erklärt werden, in Zukunft bei ähnlichen Anfragen der Stadt reagieren?

Schlussendlich ist zu konstatieren, dass sich kulturelle Angebote eben nicht mit bilanztechnischen Rechnungen bewerten lassen. Und es auch problematisch ist, wenn ich meine eigenen Vorlieben zur Richtschnur von erhaltenswerten oder überflüssigen kulturellen Einrichtungen mache. Identifizierungsmöglichkeiten mit meiner Heimatstadt finden genau dort statt, wo ich mich mit Lust engagiere, wo ich meine Freizeit verbringe, wo ich Freunde treffe. Eine größere Attraktivität kann es für eine Stadt wie Wülfrath, umgeben von einem Überangebot an Freizeitgestaltungen im Ballungsraum Rhein/Ruhr, gar nicht geben.